Das Vermächtnis der Nebel

Einst regierte Obolet über ein blühendes Königreich. Sein gerechtes Urteil und sein starker Schwertarm brachten ihm Ruhm und die Liebe seines Volkes.

Nur eine Person stand noch höher in der Gunst der Menschen: seine Halbschwester Araide. Sie war von solcher Anmut und Sanftheit, dass es kaum einen Ritter gab, welcher sich ihr nicht sogleich ohne jedes Zaudern unterwarf, um in ihrem Namen zu streiten. Mag man der Legende Glauben schenken, gab es nie eine Frau von reinerem Edelmut.

Noch heute liegt ihretwegen Wehmut in den Rufen der Greifen, aber vielleicht sollte ich meine Geschichte in früheren Zeiten beginnen lassen …

Die Natur selbst schien die Feinde in die Flucht zu schlagen. Stürme machten die Überfahrt von neuen Truppen unmöglich, Erdbeben versetzten Angreifer und ihre Tiere in Angst und Schrecken. Und die Räder von Kriegsgeräten schienen schneller zu brechen, als sie repariert werden konnten.

Obolet und Araide hielten sich an ihren Schwur: Keinem Menschen wurde hierbei ein Leid zugefügt.

Überall erzählte man von der mächtigen Magierin, welche all diese Wunder wirkte. Oft sah man sie auf einem weißen Ross oder sogar einem Einhorn sitzen. Ihr Antlitz sei von solcher Schönheit gewesen, dass es das Herz des tapfersten und streitlustigsten Kriegers bezwang.

Außerdem sei sie in magisches Leuchten gehüllt gewesen. Nicht selten wurde davon berichtet, sie könne die Gestalt eines Vogels annehmen, oder sie sei gar ein Wesen halb Vogel und halb Mensch. Andere wiederum vermuteten, sie sei eine mächtige Königin des Feenreichs.

Ein Feind nach dem anderen trat den Rückzug an oder gelobte Araide seine Treue und Liebe. Eine Zeit des Friedens und des Glücks breitete sich aus.

An Obolets Hof kehrte endlich die Freude zurück. Eine große Schar Ritter und Edeldamen versammelten sich dort und viele Feste und Turniere erfreuten das Volk, gleich ob von hoher oder niederer Geburt.

Die Felder waren fruchtbar und Hunger und Krieg gerieten bald in Vergessenheit.

Viele Jahre regierte Obolet, welcher ein Muster aller ritterlichen Tugenden war, mit gerechter und milder Hand. Stets an seiner Seite seine Schwester Araide.