Das Vermächtnis der Nebel
Einst regierte Obolet über ein blühendes Königreich. Sein gerechtes Urteil und sein starker Schwertarm brachten ihm Ruhm und die Liebe seines Volkes.
Nur eine Person stand noch höher in der Gunst der Menschen: seine Halbschwester Araide. Sie war von solcher Anmut und Sanftheit, dass es kaum einen Ritter gab, welcher sich ihr nicht sogleich ohne jedes Zaudern unterwarf, um in ihrem Namen zu streiten. Mag man der Legende Glauben schenken, gab es nie eine Frau von reinerem Edelmut.
Noch heute liegt ihretwegen Wehmut in den Rufen der Greifen, aber vielleicht sollte ich meine Geschichte in früheren Zeiten beginnen lassen …
Kapitel 11 - Der Thurongal
Fenhold und Araide stoben auf dem Rücken ihrer Pferde über das Land. Die schöne Schwester des Königs lenkte die Flucht in die Richtung des Thurongals, dem schlafenden Vulkan. Warum, wollte sie ihrem Liebsten nicht offenbaren.
Dicht auf ihren Fersen folgte ihnen Hadrian auf seinem schwarzen Hengst Paresan. Am Fuße des Berges stellte er sie, und ein erbitterter Zweikampf entbrannte zwischen den beiden Rittern. Tränen rannen über Araides Gesicht, als sie ihr Pferd weiter antrieb, denn sie wusste, es war das letzte Mal, dass ihr Blick auf Fenhold ruhen sollte.
Ein Gewitter zog auf, während die treue Stute Vesalen den Gipfel erklomm. Da brach ein Stück des Pfades unter ihren Füßen in die Tiefe. Pferd und Reiterin fielen.
Als sich Araide unter Schmerzen aufrichtete und sich Blut von ihrer Stirn wischte, musste sie erkennen, dass ihr Vesalen nicht mehr zur Seite stehen konnte. So setzte sie ihren letzten Weg allein fort.
Mit letzter Kraft zog sie sich über den Rand des Vulkankraters und blickte hinunter in die rabenschwarze Tiefe. Ein letztes Mal gedachte sie ihrer Liebsten und stürzte sich, das Firinn an ihre Brust gedrückt, in den Abgrund.
Ein Erdbeben erschütterte das Land, und Feuer und Asche ging hernieder, als der Thurongal zum Leben erwachte.
Fenhold und Hadrian kämpften noch immer verbittert am Fuße des Berges und wurden von der heißen Glut überrascht. Erstarrt zu Stein sollte ihr Kampf auf alle Ewigen kein Ende finden.